"Na, nehmt das mal nicht so wichtig"
Oldenburger STACHEL Nr. 10/94
„Heinz Rühmann ist tot. Er verstarb
am Dienstag (4.10.94) in seinem Haus am Starnberger See. In seinen Filmen spielte
Rühmann immer so, als wolle er den Zuschauern sagen: ,Na, nehmt das mal
nicht so wichtig". Bei ihm war immer ein Augenzwinkern dabei, immer etwas
Melancholie. Die ganz großen Gefühle gab es bei ihm immer nur in
Miniaturform, aus der Perspektive des kleinen Mannes, tragisch und zugleich
komisch. Und dafür hat sein Publikum diesen großen kleinen Mann
geliebt. Er war kein Künstler, der sich von den übrigen Menschen
exzentrisch abgesetzt hat, sondern ein Schauspieler, der das Leben gespielt
und dabei immer zum Lachen und Nachdenken angeregt hat.
Geboren ist Heinrich Wilhelm Hermann Rühmann 1902 in Essen als Sohn eines
Hoteliers. Mit 17 Jahren hat er das Gymnasium verlassen um nach München
zu gehen und bei Fritz Basil Schauspielunterricht zunehmen. Bereits ein Jahr
später debütierte Rühmann als jugendlicher Liebhaber im Lobetheater
zu Breslau. Fachleute erkannten sogleich das komische Talent, das sich da
entwickelte.
Daraufhin ging Rühmann an das Residenztheater zu Hannover und nach Bremen,
um schließlich wieder nach München zu gehen, wo er seit 1925 dem
Ensemble der Münchener Kammerspiele angehörte.
Das Theater war weiterhin bestimmend für sein Leben. Max Reinhard holte
ihn in den 30er Jahren nach Berlin, wo Rühmann auch Gustav Gründgens
kennenlernte. Dort gelang ihm der Durchbruch mit der Revue: ,Wie werde ich
reich und schön" und dem daran anschließenden Film: ,Die drei von
der Tankstelle". Schon ein Jahr später konnte Rühmann im Film ,Bomben
über Monte Carlo" zeigen, da er sich keineswegs hinter Größen
wie Hans Albers zu verstecken braucht.
Rühmann in der NS-Zeit
... panem et circenses dare
Heinz Rühmann ist keineswegs unumstritten, und wenn man sich seine'82
erschienene Memoiren ,Das war's" zu Gemüte führt, wird man feststellen,
daß Rühmann die Nazizeit mit einem Aufgebot an Rethorik aufarbeitet
bzw. abhakt.
Eine sehr wichtige Stütze des NS-Regimes bzw. aller diktatorischen
Regierungen
ist die Unterhaltung. Das Volk muß bei Laune gehalten werden, denn dann
sehen sie über vieles hinweg. Diesen Grundsatz haben selbst die alten
Römer schon erkannt. Daher stammt auch der Spruch, panem et circenses"
- ,Brot und Spiele". Da kam es dem Propagandaministerium gerade recht, da ein
neuer Volksliebling geboren war.
Die Filme, die Rühmann in dieser Zeit gedreht hat, belegen ganz klar,
dass das Propagandaministerium regen Gebrauch von dieser Taktik gemacht hat.
Den Deutschen wurde oft eine heile und heitere Welt vorgespielt. Heinz Rühmann
ist dabei aber nicht der einzige Ausführende gewesen. Viele bekannte
deutsche Schauspieler/Schauspielerinnen ließen sich genauso benutzen. Dazu zahlten
z. B. Theo Lingen, Marlene Dietrich, Paul Henkels oder Hans Moser, um nur einige
zu nennen.
Aber bei Rühmann hatte die Geschichte noch einen Schönheitsfehler.
Seine damalige Frau, Maria Bernheim, galt als diejenige, die ihn gestützt
hat, die ihm wieder auf die Beine half, wenn es mal nicht so lief, wie es sollte.
Ohne sie hätte Rühmann schon längst resigniert. Aber sie war
Halbjüdin, und das war dem Propagandaministerium ein Dorn im Auge, denn
wie sollte man so etwas in der Öffentlichkeit darstellen? Es paßte
überhaupt nicht ins Bild der Nazis, daß der neue Star mit einer
Halbjüdin verheiratet war. Das Regime übte immer kräftiger Druck
auf ihn aus, damit er sich von seiner Frau trenne. Die Scheidung von seiner
Frau, die Rühmann nach einer persönlichen Unterredung mit Joseph Goebbels
einreichte, geschah offiziell in beiderseitigem Einvernehmen. Als Dank erhielt
Rühmann eine Devisenausfuhrgenehmigung, die es ihm gestattete, seiner
nach Schweden emigrierten Ex-Gattin monatlich 250 Reichsmark zu schicken.
Was Heinz Rühmann möglicherweise geblüht hätte, wenn er
sich nicht von seiner Frau getrennt hätte, zeigt die Geschichte des damals
beliebten Schauspielers Joachim Gottschalk, der eine jüdische Frau geheiratet
hatte. Dieser wollte sich nämlich nicht von ihr trennen. Daraufhin bekam
der Schauspieler ein absolutes Filmverbot. Joachim Gottschalk nahm sich 1941
zusammen mit seiner Frau das Leben.
Rühmann war einer der wichtigsten Waffen von Joseph Goebbels an der Heimatfront.
Die Filme waren auf den ersten Blick harmlose Unterhaltung, aber sie dienten
der Ruhigstellung des Volkes. Stars wie Rühmann schlossen die Lücke,
die ausgewanderte UFA-Schauspieler hinterlassen hatten.
Heinz Rühmann mußte zu dieser Zeit in einigen seltsamen Filmen
mitspielen,
vielleicht aber auch in seinem allerbesten: ,Die Feuerzangenbowle", die auch
in Oldenburg oft zur Jahresende in den Kinos gezeigt wird. Doch ausgerechnet
dieser Film wurde von den Nazis auf den Index gesetzt. Kurzerhand saß
Rühmann im Zug zum Führerhauptquartier, und der Film wurde doch
gezeigt.
Wer erinnert sich nicht mit einem Schmunzeln im Gesicht an den Dialog zwischen
dem Schüler Pfeiffer und seinem Professor:, Wie heißen Sie?“,
Joh.. Johann Pfeiffer." ,Mit einem f oder mitzwei?" ,Mit drei, Herr Professor."
,Mit drei f?" ,Eins vor dem Ei, zwei hinter dem Ei, bitte."
Nach dem Krieg wurde es erst einmal ruhig um Heinz Rühmann, aber dann
- in den 50er Jahren - setzte er seine Filmkarriere mit dem Klamauk, 'Charly's
Tante' fort. 1957 erhielt er viele Preise, unter anderem den Kunstpreis in
Berlin und den Golden Gate Preis auf den Internationalen Filmfestspielen in
San Francisco. Dem Fernsehen hat sich Rühmann lange Zeit verweigert und
ist dem Theater und Kino treu geblieben. Mit dem Film, 'Der eiserne Gustav'
öffnete er sich erstmals diesem Massenmedium, als er merkte, daß
er so auch sein Publikum erreichte. Rühmann baute jetzt durch gezielte
Rollen sein Image als Pfiffikus aus. In den folgenden Filmen und Fernsehstücken
spielte Rühmann immer listige Charaktere. Zuletzt sah Mensch ihn als
Großvater in den 50ern, der seiner 16jährigen Nichte hilft, die
Zeit vor und nach der Geburt ihres unehelichen Kindes durchzustehen.
Heinz Rühmann trat in den letzten Jahren nur noch selten vor die Kamera.
Sein letzter großer Auftritt war vor zwei Jahren in einer beeindruckenden
Geburtstagsgala, die anläßlich seines 90ten Geburtstages veranstaltet
wurde - moderiert von einem sehr redseligen Kuli. Darüber hinaus hielt
Rühmann zur Weihnachtszeit immer wiederbeeindruckende Lesungen im Hamburger
Michel.
Heinz Rühmann wird in unser aller Gedächtnis erhalten bleiben (dafür
sorgen schon die Fernsehanstalten, d. Tipper). Dadurch, da er nicht -
wie heutige Stars - einen Personenkult um sich herum aufgebaut hat und da
er sich durch praktisch alle Genres des Films gespielt hat: vom Penner zum
Pater, vom Pauker zum Detektiv, wurde er von jung und alt verehrt. Dabei war
seine nicht übermäßige Größe keineswegs von Nachteil,
wie er sie oft empfunden hat. Sie unterstrich seine Charaktere. Zu seinen
Paraderollen
zählen: Pater Brown, Wilhelm Voigt, Schüler Pfeiffer und Quax, der
Bruchpilot. Martin Schulze
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